Label-Interviews, zweite Runde: Wenn keiner mehr bereit ist, für Musik Geld auszugeben - wie kann man dann als Plattenfirma noch überleben? Haben Label-Macher 2012 überhaupt noch Spaß an ihrer Arbeit? Und braucht man Plattenfirmen eigentlich noch, wenn immer mehr Bands alles selber machen wollen? Das und noch einiges mehr wollten wir diesmal von Jörg Timp wissen - der betreibt seit guten zehn Jahren das Label Make My Day Records, auf dem schon so unterschiedliche Künstler wie Caspian, Junius, Saint Thomas, Britta Persson oder Cancer Conspiracy veröffentlicht wurden.
Jörg - CDs kauft kaum noch jemand, mit Streaming-Diensten wie Spotify verdienen kleine Labels kaum Geld, immer mehr Bands bringen zudem ihre Alben lieber selber raus - macht es anno 2012 noch Spaß, ein Label zu machen?
Ist ja alles relativ und eine Frage was man denn verdienen muss, um sich auf längere Sicht behaupten zu können. Wir machen halt viel selber, versuchen kalkulatorisch keine Luftschlösser zu bauen und realistisch zu agieren. Wir verstehen uns auch als verlängerter Arm des Künstlers, das heißt, ich glaube kaum, dass ein Künstler besser wegkommt wenn er das selber macht, denn wir machen all das, wofür er normalerweise keine Zeit hat - beziehungsweise oftmals einfach auch kein Gespür. Wer setzt sich schon gerne stundenlang ins Büro und macht den ganzen administrativen Teil. Fairerweise muss man aber sagen, dass das Label trotzdem wohl eher nur einen Single Haushalt ernähren könnte und es ja in einen grösseren Firmen Kontext eingebunden ist. Aber da wir auch beharrlich sind, die Künstler sich den gegebenen Bedingungen anpassen bin ich sehr zuversichtlich, dass wir auch im nächsten Jahr noch eifrig gute Musik für nette Menschen veröffentlichen werden. Aber klar ist auch, dass es nicht reicht eingleisig zu fahren. Kreatives Denken und geschäftliche Flexibilität sollten vorhanden sein. Label sein ist kein Ponyhof !
Was sind aktuell die größten Herausforderungen für Dein Label?
Aus dem Wust an guter Musik die Künstler herauszufiltern, die wirklich was erreichen wollen, einen Plan haben und kontinuierlich arbeiten können und wollen. Naja und dann noch so Sachen wie: die dann erscheinenden Platten mit einem Minimum an Geldmitteln einem Maximum an Leuten vorzustellen. Alben zu verkaufen ist dann nochmal was anderes. Wenn da nicht alle mitmachen - also Label, Vertrieb, Künstler und alle die sonst noch so zwischengeschaltet sind - dann kannst du die tollste Platte haben und keiner merkt es.
Würdest Du das Label mit Deinem jetzigen Wissen nochmal gründen?
Ja, auf jeden Fall. Nur einige Fehler würde ich dann wohl umgehen können.
Was war dein größter Fehler in all den Jahren?
Soll ich alle aufzählen ? Wir hatten sie alle. Und sie waren teilweise recht teuer. Lass es mich lieber so beantworten: Glaub nie dem Management. Dem Künstler nur bedingt. Hör auf Dein Bauchgefühl und hol dir ab und an mal einen Rat von Leuten die ebenfalls in diesem Business arbeiten. Hör nie auf zu arbeiten, keiner macht was für Dich und von ganz alleine geht eh nichts. Und ganz wichtig, schau Dir an was die anderen machen, analysiere das und wende es auf Dich an. Ach ja, und hab einen guten und grossen Kellerraum für all die CDs, die du nicht verkauft hast.
Das Thema Urheberrecht ist dank Piraten-Partei und Co ja derzeit überall präsent. Sven Regener hat vor kurzem dazu seine so genannte "Wut-Rede" gehalten und gesagt: "Die kleinen Labels sind alle weg. Was bleibt, ist Volksmusik, deutscher Schlager und Rockmusik für die Älteren" - hat er recht?
Mit dieser Aussage vielleicht nicht, aber ich weiß was er meint und in weiten Teilen hat er Recht. Aber diese ganze Diskussion ist so weitläufig und so verfahren, dass man jeder Position ein bißchen Recht geben kann. Fakt aber ist: Ich geh auch nicht zum Bäcker und kann da mein Brot klauen nur weil er gerade nicht hinguckt. Nur weil man die Möglichkeit hat, ist es weiterhin Unrecht sich Dinge anzueignen ohne sie zu bezahlen.
Und nochmal Regener: Da es uncool sei, sich über Raubkopien aufzuregen "halten alle schön die Schnauze und schauen weiter zu, wie alles den Bach runter geht" - im Punk- und Indie-Bereich wahrscheinlich schon, oder?
Also wir sind Indie und sagen ganz klar, dass das nicht cool ist, sondern Mist. Wer unsere Platten "klaut", gefährdet damit die Jobs, die hier entstehen und sollte sich besser nicht erwischen lassen. Ich arbeite dafür, die Künstler arbeiten dafür und warum sollte das jemand für umsonst bekommen. Wir sind sehr fair mit unseren Preisen und wer da noch was abzockt soll zum Teufel gehen. Da gibt es KEINE Entschuldigung. Dann muss es eben ohne Musik gehen, es gibt eh schon genug umsonst.
Ist Label-Machen heutzutage eher Hobby als eine echte Möglichkeit, seinen Lebensunterhalt damit zu bestreiten?
Nö, Hobby ist das nicht. Das spare ich mir für andere Sachen auf. Wenn man es ernsthaft betreibt und auch als richtigen - tagesfüllenden Job betreibt, sollte es auch dazugetan sein, seinen Lebensunterhalt zu bestreiten. Spaß machen tut es aber trotzdem. Aber es wäre ein großer Schritt , wenn all die ganzen Hobby Labels und Musiker aufhören würden den Markt zu verstopfen. Macht alle Eure Platten, aber warum muss dass dann überall erhältlich sein, wenn ihr nichtmals 50 Leute in Eurer Heimatstadt motivieren könnt? Auch hier ist die Tatsache, dass technisch vieles möglich ist, nicht unbedingt Legitimation dafür, dass alles nötig ist, aber das ist in Zeiten von Deutschland sucht den Superstar und dem einhergehenden Wunsch nach Popularität etc eher schwer zu vermitteln. Aber nochmals: Musiker sein oder ein Label zu betreiben ist harte Arbeit.
Was sagst Du einer Band, die der Meinung ist, dass man heutzutage als Musiker besser alles selber macht, als ein Label zu beauftragen?
Klasse Idee, wenn man sonst nichts zu tun hat und weiß wie es geht.
Sind Vinyl, hochwertige Sammler-Editionen und Merchandise eine Lösung - oder auch nur der berühmte Tropfen auf den heißen Stein?
Solange es gut gemacht ist und es dem Fan gefällt ..warum nicht. Wir machen das eher selten und Sammler Editionen sollten schon einen echten Mehrwert haben. Ein Produkt aber so schön zu gestalten wie möglich halte ich für verpflichtend, natürlich im Rahmen dessen, was auch finanziell tragbar ist.
Wo siehst Du Dein Label in zwei oder drei Jahren?
Auf Augenhöhe mit Universal. Nur netter. Keine Ahnung, wir machen weiter, werden uns hoffentlich immer weiter optimieren denn es macht Spaß und jede gute Platte, die wir veröffentlichen (was natürlich subjektiv ist), ist ein bißchen wie ein vorgezogenes Weihnachtsfest und ein extrem toller Prozess.
Ein guter Freund kommt zu Dir und sagt, er startet jetzt sein eigenes Label, weil er so viele gute Musiker kennt, die er veröffentlichen möchte. Was rätst Du ihm?
Alles was ich vorher gesagt habe.
Noch etwas, das Dir zu diesem Thema wichtig ist?
Ja, aber ich jetzt keine Zeit mehr, ich muss weiterarbeiten… wie gesagt…... Label sein ist ja kein Ponyhof!