Sechs Jahre Wartezeit haben uns Raised Fist zugemutet - aber, um gleich mal wieder ganz massiv die Phrasen-Keule zu schwingen: "Das Warten hat sich gelohnt". "From The North" steckt nämlich voller eingängiger, mitreißender und äußerst Live-tauglicher Hymnen; nach mehrmaligem Durchhören bin ich mir weiterhin unsicher, welchen Song ich denn als Favoriten auswählen soll, einfach weil so viele tolle Stücke drauf sind. Trotzdem wird der eine oder andere was zu meckern haben - und das durchaus mit Recht.
Fangen wir mit so etwas eigentlich profanem wie der Produktion an - die ist einer Band wie Raised Fist eigentlich nicht so richtig würdig. Statt der Band-typischen Einstellung "machtvolle Wuchtbrumme" stand der Regler anscheinend oft auch mal auf "matschigem Brei". Keine Katastrophe, aber an manchen Strellen wäre mit etwas mehr Wucht noch viel mehr möglich gewesen, vor allem die Gitarren klingen oft zu dünn. Und apropos Gitarren: Man muss Melodien mögen. Raised Fist hatten über die Jahre immer auch ein Händchen für eingängige Momente, so viel Groove, Pop und Rock-Momente wie hier gab es aber noch nie. Das wirkt sich sogar auf Frontschreihals Alle Hagman aus: Der klingt zwar im Normalfall so monoton-gehetzt und panisch-eigenständig wie immer, versucht sich in einem Song wie "We Will Live Forever" aber gar an poppigen Gesangslinien.
Mit der melodischeren Ausrichtung bleibt viel Raum zum Mitsingen: "Man & Earth", das Power-Metal-hafte "In Circles", das etwas pathetische "Ready To Defy"- das ist alles Stoff, der auch Fans von Bands wie Rise Against die Kehlen heiser macht. Kein Wunder, dass "Flow" als erste Single ausgekoppelt wurde und am Anfang der Scheibe steht - das Stück schlägt am ehesten die Brücke zwischen letzter und neuer Platte und wiegt den Hörer mit seinem klassischen Hardcore mit RATM-Elementen zunächst in Sicherheit, bevor die Melodie-Toleranz immer weiter ausgereizt wird.
Wer diese Veränderungen aber unvoreingenommen annimmt, bekommt zur Belohnung eine Aneinanderreihung von Hits und potenziellen neuen Live-Klassikern - vielleicht nicht so progressiv wie von vielen erhofft, aber dafür mitreißend bis zum Anschlag.