Ziemlich unerwartet und ohne große Vorwarnung ist da
plötzlich ein neues Say Anything-Album – und das, obwohl man schon lange nichts
mehr von der Band gehört hatte und viele Max Bemis und Co wohl im Grunde auch
schon abgeschrieben hatten. Aber genau dieser Überraschungseffekt ist Teil des
Konzeptes, wie Bemis sagt:
„My team and I decided to forego the dying art of the lead‐up
and share our new record "I Don't Think It Is" with you, right now,
with no warning. Why? Obvious. I want to be like Bey. Not‐really‐kidding
aside, I've become a bit weary of doing the same song and dance leading up to
the actual endgame, people actually listening to something. It also seems to
fit with the core of this record: me destroying any notion of feeling blasé
about music.“
Die Veröffentlichungstaktik ist aber nicht die einzige
Überraschung, auch sonst hat sich einiges geändert. Die Produktion etwa ist
schroffer und noisiger denn je – gerade zu Beginn dürfte sie manch alten
Emo-Fan mit ihrem Lofi-Ansatz und dem oben drauf gesetzten harschen Gesang
durchaus verschrecken. Hinzu kommt ein deutlich ausgebauter Prog-Anteil – was
früher immer nur im Ansatz durchdrang, ist jetzt omnipräsent. Und Bemis lässt
seiner Liebe für den Hiphop freien auf – er hat ja erst kürzlich offiziell
Kanye West gehuldigt und geht jetzt auch musikalisch immer mehr in Richtung
Experiment, offene Songstruktur und sehr variables Drumming.
Das heißt dann allerdings nicht, dass „I Don’t Think It Is“
so gar nichts mehr mit den früheren Werken zu tun hat. Es gibt immer noch
eingängige Melodien, viel Pop-Appeal, gelegentliche leicht pathetische Momente
und einfach schöne Harmonien irgendwo in der Bandbreite von Coheed &
Cambria über Panic At The Disco bis Fall Out Boy. Trotzdem ist die Scheibe eher
ein Grower als ein direkter Hit, vieles zündet nicht zu Beginn, einiges auch
nicht nach dem zehnten Durchgang, und manches Stück bleibt bis zum Ende doch
eher Skizze als Song.
Die Überraschung ist Bemis trotzdem geglückt – und vieles
klingt lebendiger und frischer, als es viele von dieser band wohl erwartet
hätten.