Die ganzen typischen Lobeshymnen sparen wir uns diesmal - wer unser Magazin die letzten Jahre verfolgt hat, weiß, dass wir Frank Turner von Beginn an abgefeiert haben und seinen kontinuierlichen Aufstieg ebenso nachvollziehbar wie vollkommen begründet fanden. Folgerichtig macht es auch Sinn, dass er einem anno 2013 von allen Plakatwänden entgegen lächelt.
Nach immer mehr ausverkauften Clubshows, Support für unterschiedlichste Bands wie die Dropkick Murphys, einem Konzert in der Wembley Arena und stetig wachsender Fanscharen weltweit steht also der nächste Schritt an; für "Tape Deck Heart" ist der Major Universal mit im Boot und rührt kräftig die Werbetrommel für den "Newcomer aus UK" (O-Ton Universal). Auffällig nur: Nach all den Alben voller direkter Hits und Hymnen ist ausgerechnet das Major-Debüt "Tape Deck Heart" das Album geworden, das wohl am längsten braucht, um zu zünden.
Klar, auch Turner wird "erwachsen" - die Songs werden naturgemäß komplexer. Aber zum Teil auch nachdenklicher - deutlich nachdenklicher. Wo frühere Platten immer den Spirit "Das Leben legt einem Steine in den Weg, aber wenn wir alle zusammen eine gute Zeit haben und miteinander singen, wird das schon irgendwie!" versprühten, ist diesmal deutlich mehr Schwermut zu spüren. Und längst nicht jeder Song eignet sich dafür, um Arm in Arm zu schwelgen, das Glas zu heben und in den Chorus einzustimmen. Was nicht heißt, dass sich Turner komplett geändert hätte: Das tolle und aus gutem Grund vorab veröffentolichte "Recovery" oder das einfach gestrickte, aber gut gelaunte "Four Simple Words" sind Hits in bester Turner-Tradition.
An anderer Stelle werden die Veränderungen aber schon deutlicher: "Plain Sailing Weather" etwa ist zwar ebenfalls eine Hymne, bei der man im Refrain die Faust recken möchte - in der Strophe aber ist das über weite Strecken Indie mit Weezer-Anleihen. Apropos Weezer - an die muss ich in "Polaroid Picture" auch denken, das ist einfach schöner Indie im Pinkerton-Stil.
Dominierend ist auf "Tape Deck Heart" aber ein anderer Sound - das sind vor allem die ganz ruhigen Stücke in der Tradition klassicher Songwriter, ganz unaufgeregt und reduziert - "The Fisher King Blues" etwa, das erst ganz am Ende wieder die Art von Song ist, die Konzertsääle von Turner in glücklich schwelgende Massen verwandelt. "Good & Gone", das sehr Folk-lastige "Tell Tale Signs" oder das komplett von Trauer dominierte "Anymore"; alles schöne Songs, sehr nachdenklich, sehr melancholisch, sehr zurückhaltend, aber eben für Turner-Verhältnisse ungewohnt traurig, ungewohnt un-mitsingbar.
Am Ende treibt Turner das noch auf die Spitze - "Oh Brother" ist ein vielschichtiges, aber schwer greifbarer Rocker, "Broken Piano" wächst sich zu einem ausfernden, experimentellen und wieder sehr schwermütigen 6-Minuten-Epos aus. Auch hier gilt - das ist gutes, stellenwiese großartiges Songwriting; aber eben doch deutlich anders, als man es von Turner gewoht ist.
Den Vorwurf, auf "Nummer sicher" gegangen zu sein, wird er sich jedenfalls nicht anhören müssen. Und auf Grund seiner jahrelangen Konstanz wird er sich wohl auch über den Zuspruch keine Sorgen machen müssen - "Tape Deck Heart" braucht zwar Zeit. Turner ist aber so fest verankert in seinen Hörerschaft, dass man ihm die Zeit geben wird. Welchen Stellenwert dieses Album dann eines Tages in seiner kompletten Discographie haben wird - ob punktuelle Ausnahme oder Start einer spürbaren Veränderung - wird man wohl erst in ein paar Jahren sicher sagen können.
Frank Turner - Recovery on MUZU.TV.