Es wäre so einfach, seitenlang darüber zu schreiben, wie furchtbar schlecht das zweite Falling In Reverse-Album ist. Schließlich gibt es so viele Anknüpfungspunkte. Angefangen bei Frontmann Ronnie Radke, der es in den letzten Jahren geschafft hat, sich so unsympathisch wie nur möglich darzustellen - dank viel Arroganz, Aggressivität und einer unkontrollierten Hire&Fire-Mentalität bei seinen Bandmusikern. Und dann natürlich die Musik - die ist diesmal nicht nur fast komplett anders als auf dem Debüt, sondern hat auch noch alles zu bieten, was Szene-Puristen so hassen: Angefangen bei Rap-Einlagen über Autotune-Momente, Nintendo-Core-Eskapaden und Dancefloor-Pop. Alles eindeutig schlecht also?
Nö, irgendwie nicht. Klar, "Fashionably Late" wird für viele eines der furchtbarsten Alben 2013 sein. Aber für ganz viele andere wiederum auch eine der Überraschungsplatten des Jahres. Vorausgesetzt nämlich, man hat keinerlei Berührungsängste mit jedwelchem Stilmix, kann auch mit Begriffen wie Fremdscham nicht so viel anfangen und stört sich auch nicht an Textbrocken wie "like a fucking avocado desperado" - dann gibt es hier Party-Ohrwürmer im 12er-Pack zu entdecken.
Man muss Radke nämlich einfach zugestehen, dass er sich bei all der Stilvielfalt nie verzettelt, sondern jeden Song irgendwie in Richtung Hymne und Ohrwurm dreht. Der Opener "Champion" etwa führt einen mit aggressivem Metalcore-Einstieg und fiesem Gebrüll erst in die Irre, um dann im Refrain in Richtung Melodie abzubiegen - die Nummer würde auch auf jedem Day To Remember-Album hevorrragend funktionieren. "Bad Girls Club" mit seinen billigen Synthesizern, den Frauen-Chören und den einfachen Reimen erinnert abwechselnd an Zebrahead, dann an Pink und Kesha, "Rolling Stone" hingegen übt tatsächlich den Spagat aus pathetischer Hairspray-Rock-Nummer, Dr Dre-Einlage und Skrillex-Beat-Geboller.
Die Reihe lässt sich endlos fortsetzen - das Titelstück ist simpler Pop-Punk mit ganz viel Pop und ganz wenig Punk, wie ihn heutzutage auch Good Charlotte in Songs wie "Like It's Her Birthday" zelebrieren. Das Titelstück kombiniert dann Linkin Park-Theatralik mit gerappter Elektro-Strophe. Feuerzeug-Piano-Momente inklusive Powermetal-Gitarren wie in "Born To Lead" bringt Radke übrigens auch noch unter.
Wie gesagt, es wäre einfach, diese Platte in Grund und Boden zu reden, aber irgendwie ist es auch sehr beeindruckend, wie souverän Radke tatsächlich Singen, Rappen, Brüllen und so ziemlich jeden musikalischen Stil auf der Platte unterbringen kann - und am Ende praktisch bei jedem der 12 Stücke eine Melodie aus dem Hut zaubert, die im Ohr bleibt und Radio-Potenzial hat. Wer also gedacht hätte, Radke kann gar nicht noch mehr polarisieren als bisher schon - voila, "Fashionably Late" ist der wahnwitzige Gegenbeweis.